Access Ready-Zertifizierung: Was bringt sie?

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Digitale Technologien sind allgegenwärtig. Sie prägen unsere Kommunikation, unser Arbeitsleben, unsere Freizeitgestaltung und unseren Zugang zu Bildung und Informationen. Doch trotz aller technischen Innovationen bleibt ein erheblicher Teil der digitalen Angebote für viele Menschen unzugänglich. Digitale Barrieren – oft unsichtbar für die Mehrheit der Nutzer – schließen Millionen von Menschen systematisch von digitalen Inhalten, Anwendungen und Diensten aus.

Ob Webseiten, mobile Anwendungen, digitale Verwaltungsdienste oder Online-Shops: Zahlreiche digitale Umgebungen sind nicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen, älteren Menschen oder Personen mit eingeschränkter Medienkompetenz ausgerichtet. Die Folge ist nicht nur eine Verletzung gesetzlich garantierter Teilhabe, sondern auch ein struktureller Ausschluss aus sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Prozessen.

Barrierefreiheit im digitalen Raum ist daher kein Zusatz, sondern eine Grundvoraussetzung für gleichberechtigte gesellschaftliche Partizipation. In diesem Beitrag werden die häufigsten Barrieren im digitalen Raum systematisch dargestellt – differenziert nach Sinnes-, motorischen, kognitiven und technologischen Aspekten. Zugleich wird erläutert, wie sich diese Barrieren durch bewährte Designprinzipien, technische Standards und inklusive Konzepte wirksam vermeiden lassen.


Sinnesbezogene Barrieren: Seh- und Hörbehinderungen als Herausforderung

Menschen mit Sinneseinschränkungen sind im digitalen Raum besonders häufig mit Barrieren konfrontiert. Für blinde und sehbehinderte Menschen ist die Nutzung grafisch dominierter Inhalte ohne geeignete Alternativbeschreibungen faktisch unmöglich. Visuelle Interfaces, bei denen Informationen ausschließlich über Farbe, Form oder Position vermittelt werden, sind für sie nicht zugänglich. Ebenso problematisch sind Websites, die keine Tastaturnavigation unterstützen oder deren Struktur für Screenreader nicht verständlich aufbereitet ist.

Auch für Menschen mit Hörbehinderungen sind digitale Inhalte vielfach nicht barrierefrei. Videos ohne Untertitel, Audioinhalte ohne Transkription oder fehlende Gebärdensprachangebote erschweren oder verhindern den Zugang zu Informationen. Insbesondere im Bildungsbereich, bei Verwaltungsdienstleistungen oder im Bereich digitaler Kommunikation entstehen dadurch massive Informationsdefizite.

Die Vermeidung dieser Barrieren erfordert eine umfassende mediengerechte Aufbereitung von Inhalten. Dazu gehört etwa die Einbindung alternativer Texte für alle nicht-textbasierten Elemente, eine kontrastreiche Gestaltung, die Nutzung klarer Strukturen und Überschriften sowie die Bereitstellung von Untertiteln und audiovisuellen Alternativen. Barrierefreiheit ist dabei nicht nur technisch, sondern auch redaktionell zu denken: Nur durch eine gezielte semantische, inhaltliche und technische Auszeichnung können Inhalte sinnlich vielfältig erfahrbar gemacht werden.


Motorische Barrieren: Navigation ohne Maus und mit Assistenzsystemen

Ein Großteil digitaler Oberflächen ist auf die Nutzung durch Maus und Touchscreen ausgelegt. Für Menschen mit motorischen Einschränkungen – etwa infolge neurologischer Erkrankungen, Lähmungen oder Tremor – stellen solche Bedienkonzepte eine massive Hürde dar. Wenn Buttons zu klein, interaktive Elemente zu eng platziert oder Formulare nur mit der Maus bedienbar sind, können Betroffene digitale Angebote gar nicht oder nur unter großen Anstrengungen nutzen.

Eine besonders kritische Hürde sind Zeitlimits bei der Eingabe, beispielsweise in Formularen. Menschen mit eingeschränkter Feinmotorik benötigen häufig mehr Zeit für Eingaben oder die Bedienung von Eingabegeräten. Ebenso relevant ist die Kompatibilität mit alternativen Steuerungssystemen wie Sprachsteuerung, Augensteuerung oder Schaltern. Digitale Produkte, die nicht auf diese Steuerungskonzepte vorbereitet sind, schließen eine Vielzahl von Nutzenden automatisch aus.

Zur Vermeidung motorischer Barrieren ist ein flexibles, adaptives Interface erforderlich. Alle Funktionen müssen vollständig über die Tastatur oder andere assistive Eingabemethoden bedienbar sein. Interaktive Elemente sollten großzügig gestaltet, gut voneinander abgrenzbar und mit klaren Fokusmarkierungen versehen sein. Die Integration von Pausenfunktionen, anpassbaren Zeitlimits und einfacher Navigation trägt zusätzlich dazu bei, die Bedienbarkeit für motorisch eingeschränkte Nutzer zu gewährleisten.


Kognitive Barrieren: Komplexität, Sprache und Informationsdichte

Digitale Barrieren entstehen nicht nur durch technische Hürden, sondern auch durch intellektuelle Überforderungen. Komplexe Navigationen, verschachtelte Menüs, überladene Layouts oder unklare Handlungsanweisungen stellen für viele Menschen eine große Herausforderung dar – insbesondere für Personen mit kognitiven Einschränkungen, Lernschwierigkeiten oder geringer Lesekompetenz. Auch ältere Menschen oder Menschen mit niedriger Medienkompetenz sind häufig betroffen.

Kognitive Barrieren äußern sich insbesondere dort, wo digitale Systeme keine Rücksicht auf unterschiedliche Lern- und Verstehensgeschwindigkeiten nehmen. Fehlende Orientierung, unklare Zielstrukturen oder überfrachtete Inhalte führen zu Verwirrung, Frustration und letztlich zum Abbruch des Nutzungsvorgangs. Auch fehlerhafte oder unverständliche Fehlermeldungen tragen zur kognitiven Belastung bei und verhindern eine zielgerichtete Interaktion.

Um diesen Barrieren entgegenzuwirken, ist ein nutzerzentriertes, inklusives Design erforderlich. Inhalte müssen klar gegliedert, sprachlich verständlich und in logisch aufgebauten Abschnitten präsentiert werden. Unterstützende Maßnahmen wie Leichte Sprache, visuelle Orientierungshilfen oder kontextbezogene Hilfetexte können dazu beitragen, Informationen besser zugänglich zu machen. Ebenso wichtig ist ein konsistenter Aufbau der Navigation und die Möglichkeit zur individuellen Anpassung der Darstellung, etwa durch Schriftvergrößerung oder Kontrastwahl.


Technologische Barrieren: Inkompatibilität, fehlende Standards und mangelnde Responsivität

Viele digitale Barrieren entstehen durch technologische Inkompatibilitäten oder Vernachlässigung etablierter Standards. Webanwendungen, die nicht mit Screenreadern funktionieren, PDFs, die lediglich gescannte Bilder enthalten, oder Apps, die ausschließlich auf aktuelle Betriebssystemversionen ausgelegt sind, behindern die Zugänglichkeit erheblich. Auch Websites, die auf Mobilgeräten nicht korrekt angezeigt werden, erschweren die Nutzung für viele Menschen – nicht nur mit Behinderungen.

Ein weiteres Problem sind proprietäre Lösungen ohne Schnittstellen zu assistiven Technologien. Wenn Entwickler nicht die Interoperabilität mit unterstützenden Technologien sicherstellen, bleiben viele digitale Angebote für Menschen mit Behinderungen faktisch unbrauchbar. Dies gilt auch für Inhalte, die nicht nach den Richtlinien der WCAG strukturiert oder in veralteten Technologien umgesetzt sind.

Die Vermeidung technologischer Barrieren erfordert ein konsequentes Bekenntnis zu offenen Standards, sauberem Code und der Berücksichtigung von Barrierefreiheitskriterien im gesamten Entwicklungsprozess. Dies beginnt bei der Auswahl geeigneter Frameworks, geht über das Testen mit assistiven Technologien bis hin zur kontinuierlichen Evaluation durch Nutzende mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Nur durch eine systematische Verankerung barrierefreier Prinzipien in der digitalen Entwicklungspraxis lassen sich technologische Barrieren nachhaltig reduzieren.


Barrieren durch mangelnde Nutzerführung und unklare Interaktion

Neben den klassischen Kategorien von Barrieren gibt es zahlreiche subtile Hürden, die durch unklare Nutzerführung, inkonsistente Interaktion oder fehlende Rückmeldungen entstehen. Digitale Anwendungen, die Nutzer ohne Vorwarnung auf neue Seiten weiterleiten, plötzlich Inhalte einblenden oder keine Bestätigung über erfolgreiche Aktionen liefern, führen bei vielen Menschen zu Unsicherheit und Desorientierung.

Diese Barrieren betreffen nicht nur Menschen mit Einschränkungen, sondern erschweren generell die Orientierung und Interaktion. Besonders problematisch sind dynamische Inhalte, die sich ohne sichtbare Ankündigung verändern, oder Benutzeroberflächen, bei denen wichtige Elemente visuell nicht ausreichend hervorgehoben werden. Auch redundante oder widersprüchliche Informationen können Verwirrung stiften und die Interaktion mit digitalen Angeboten erschweren.

Eine klare, konsistente Nutzerführung ist daher ein wesentliches Merkmal barrierefreier Gestaltung. Digitale Systeme müssen vorhersehbar, transparent und nachvollziehbar sein. Nutzer sollten jederzeit wissen, wo sie sich befinden, welche Schritte erforderlich sind und wie sie zu einem bestimmten Ziel gelangen. Feedbacksysteme, Fortschrittsanzeigen und nachvollziehbare Interaktionsmuster helfen dabei, Barrieren abzubauen und Vertrauen in digitale Anwendungen zu schaffen.


Rechtliche und normative Perspektiven auf digitale Barrieren

Mit der zunehmenden Bedeutung digitaler Teilhabe rückt auch die gesetzliche Verpflichtung zur Barrierefreiheit stärker in den Fokus. In Deutschland und der Europäischen Union existieren zahlreiche gesetzliche Grundlagen, die Barrierefreiheit im digitalen Raum verbindlich regeln. Dazu zählen unter anderem die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV), das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und die europäische Richtlinie 2019/882 – der sogenannte European Accessibility Act (EAA).

Diese Regelwerke definieren nicht nur technische Anforderungen, sondern verpflichten Anbieter öffentlicher und zunehmend auch privater digitaler Dienstleistungen zur Umsetzung barrierefreier Lösungen. Wer digitale Barrieren nicht beseitigt, verstößt gegen geltendes Recht – mit entsprechend weitreichenden Folgen. Gleichzeitig eröffnen gesetzliche Vorgaben die Möglichkeit, Barrierefreiheit als Qualitätsmerkmal und Wettbewerbsvorteil zu etablieren.

Zudem stellen die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) den internationalen technischen Standard dar, auf dessen Grundlage die meisten nationalen und europäischen Regelungen basieren. Ihre Einhaltung gilt als maßgeblicher Indikator für die Zugänglichkeit digitaler Angebote und ist zunehmend Bestandteil öffentlicher Ausschreibungen, Zertifizierungsverfahren und Förderkriterien.


Barrierefreiheit als integraler Bestandteil digitaler Qualität

Digitale Barrierefreiheit ist kein Projekt für Spezialistinnen und Spezialisten, sondern ein Querschnittsthema, das in alle Phasen digitaler Entwicklung integriert werden muss. Von der Konzeption über das Design bis zur technischen Umsetzung muss das Bewusstsein für potenzielle Barrieren und ihre Vermeidung aktiv gefördert werden. Nur wenn Barrierefreiheit als selbstverständlicher Bestandteil digitaler Qualität verstanden wird, kann sie ihr Potenzial zur gesellschaftlichen Teilhabe entfalten.

Dies setzt eine enge Zusammenarbeit zwischen Entwicklern, Designern, Redakteuren und Nutzenden voraus. Testverfahren mit realen Anwenderinnen und Anwendern, die auf assistive Technologien angewiesen sind, sind ebenso unerlässlich wie die konsequente Orientierung an bestehenden Standards. Erst durch einen integrativen, partizipativen Entwicklungsansatz kann digitale Barrierefreiheit flächendeckend Realität werden.

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1

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3

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