Die Bedeutung von Smart Cities für digitale Inklusion

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Städte befinden sich im Wandel. Technologische Entwicklungen, demografische Veränderungen und ökologische Herausforderungen fordern ein Umdenken in der Art, wie urbane Räume organisiert, gestaltet und genutzt werden. Im Zentrum dieser Transformation stehen sogenannte „Smart Cities“ – digital vernetzte Städte, in denen Technologien gezielt eingesetzt werden, um Lebensqualität, Effizienz und Nachhaltigkeit zu steigern. Doch die Frage, die sich angesichts dieser Entwicklung zwingend stellt, lautet: Werden Smart Cities auch für alle gemacht – oder nur für einige?

Digitale Inklusion ist dabei kein Zusatz, sondern eine Grundvoraussetzung für eine wirklich intelligente Stadt. Denn was nützt die beste App zur Parkplatzsuche, wenn sie für Menschen mit Sehbehinderung unbedienbar ist? Was bringt ein vernetztes Bürgerportal, wenn es nur in komplexer Sprache formuliert ist? Und wie inklusiv ist ein digitaler Ticketautomat, wenn er nicht mit assistiven Technologien kompatibel ist? Eine Smart City kann nur dann „smart“ sein, wenn sie von Beginn an barrierefrei, zugänglich und auf Teilhabe ausgerichtet gedacht wird.

Dieser Beitrag analysiert, wie Smart-City-Ansätze zur digitalen Inklusion beitragen können – und müssen. Er beleuchtet die Chancen technologischer Innovation für Menschen mit Behinderungen, zeigt kritische Lücken in der bisherigen Umsetzung auf und formuliert Perspektiven für eine städtische Zukunft, in der digitale Teilhabe für alle Realität ist.

Smart Cities: Technologische Innovation als Teilhabechance

Im Kern verfolgen Smart-City-Konzepte das Ziel, durch digitale Vernetzung urbane Systeme intelligenter, effizienter und bürgernäher zu gestalten. Das betrifft Verkehr und Energieversorgung ebenso wie Verwaltung, Gesundheit, Bildung oder öffentliche Sicherheit. Wenn diese Systeme inklusiv entworfen werden, bieten sie Menschen mit Behinderungen ein bislang unerreichtes Maß an Selbstständigkeit, Orientierung und Partizipation.

Ein Beispiel dafür sind intelligente Verkehrsleitsysteme, die barrierefreie Wegeführung mit Echtzeitdaten kombinieren. Für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen kann dies bedeuten, dass sie im Vorfeld erfahren, ob Aufzüge in Bahnhöfen funktionieren oder wo barrierefreie Eingänge vorhanden sind. Navigationssysteme, die Fußwege nicht nur kürzesten Weges, sondern nach Zugänglichkeit bewerten, ermöglichen eine neue Form der urbanen Bewegungsfreiheit.

Auch im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs eröffnen sich durch Smart-City-Technologien neue Möglichkeiten. Sprachgesteuerte Ticketautomaten, digitale Haltestellenanzeigen mit Text-to-Speech-Funktion oder mobile Applikationen, die visuelle Informationen in akustische Hinweise umwandeln, machen die Nutzung öffentlicher Infrastruktur barrierefreier. Für viele Menschen mit Behinderungen bedeutet das: Sie können sich sicherer, selbstbestimmter und unabhängiger in der Stadt bewegen.

Die Digitalisierung der Verwaltung – etwa über zentrale Bürgerportale – verspricht ebenfalls eine Vereinfachung. Anträge, Informationsabfragen oder Behördengänge können von zuhause aus erledigt werden. Wenn diese Portale barrierefrei gestaltet sind, können auch Menschen mit kognitiven Einschränkungen, mit Sehbeeinträchtigungen oder mit Unterstützungsbedarf digitale Verwaltungsdienstleistungen selbstständig nutzen. Das ist nicht nur komfortabel, sondern auch ein Schritt hin zu echter rechtlicher und gesellschaftlicher Gleichstellung.

Barrierefreiheit als strukturelle Bedingung smarter Infrastruktur

Die Vorteile technologischer Innovationen lassen sich jedoch nur dann realisieren, wenn sie barrierefrei zugänglich sind. Genau hier zeigen sich in der Praxis noch erhebliche Defizite. Viele smarte Lösungen werden unter funktionalen Gesichtspunkten entwickelt – Schnelligkeit, Effizienz, Automatisierung – ohne systematisch die Anforderungen an Zugänglichkeit zu berücksichtigen.

Digitale Terminals in Bürgerämtern, interaktive Stadtpläne im öffentlichen Raum oder smarte Ampelsysteme sind häufig nicht mit Screenreadern kompatibel, verfügen nicht über taktile Bedienoberflächen oder arbeiten ausschließlich visuell. Auch Apps zur Nutzung städtischer Dienstleistungen orientieren sich oft an Designtrends, aber nicht an den Anforderungen barrierefreier Gestaltung: Kleine Schriftgrößen, fehlende Alternativtexte, mangelhafte Farbkontraste oder komplexe Sprache sind hier keine Ausnahme, sondern der Regelfall.

Hinzu kommt, dass viele Smart-City-Projekte auf private Dienstleister zurückgreifen, die selbst nicht barrierefrei entwickeln – oder sich nicht an nationale wie internationale Standards halten. Das führt dazu, dass öffentliche Infrastruktur privatisiert wird, ohne dass inklusive Mindestanforderungen verbindlich durchgesetzt werden. Die Folge ist ein digitaler Ausschluss, der nicht auf mangelnder Technik, sondern auf fehlender Sensibilität beruht.

Dabei existieren klare Vorgaben: In der EU etwa durch die Richtlinie (EU) 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen oder durch den European Accessibility Act. Auch die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) setzen internationale Standards für digitale Zugänglichkeit. Sie müssten konsequent in alle Smart-City-Projekte eingebettet werden – nicht als nachträgliche Prüfung, sondern als integraler Bestandteil der Planung.

Digitale Ungleichheit: Wer profitiert – und wer nicht

Ein weiteres Problem liegt in der sozialen Dimension digitaler Teilhabe. Smart Cities setzen ein hohes Maß an digitaler Kompetenz, an technischer Infrastruktur und an vertrauensvoller Nutzung voraus. Doch gerade ältere Menschen, Menschen mit kognitiven Einschränkungen, Menschen mit Migrationshintergrund oder Personen mit geringem Einkommen gehören zu denjenigen, die besonders von Barrieren betroffen sind.

Nutzer*innen von Screenreadern berichten beispielsweise, dass sie bei digitalen Services regelmäßig auf Probleme stoßen: nicht beschriftete Buttons, fehlende Fokusführung, komplexe Sprache. Auch Menschen, die auf einfache Sprache angewiesen sind oder visuelle Informationen nur eingeschränkt verarbeiten können, finden sich in vielen digitalen Stadtservices nicht zurecht. Die Integration von Assistenzfunktionen, von Individualisierbarkeit oder von sprachlicher Vereinfachung ist bislang selten vorgesehen.

Zudem entstehen neue Ausschlüsse: etwa durch App-Zwang, durch verpflichtende Online-Terminvereinbarungen oder durch digitalisierte Bürgerdienste ohne analoge Alternativen. Wer über kein geeignetes Endgerät, keine stabile Internetverbindung oder keine ausreichende Medienkompetenz verfügt, wird zum digitalen Nicht-Bürger – in einer Stadt, die sich als intelligent und innovativ versteht.

Digitale Inklusion in Smart Cities bedeutet daher nicht nur, Barrierefreiheit technisch zu ermöglichen, sondern auch sozial zu verankern. Es braucht mehrsprachige Informationsangebote, nutzerzentrierte Gestaltung, verständliche Sprache, Schulungen, niedrigschwellige Einstiegsmöglichkeiten und analoge Rückfallebenen. Erst dann wird aus digitaler Innovation ein echter Fortschritt für alle.

Partizipation als Schlüssel: Inklusion beginnt bei der Planung

Smart Cities sind nicht nur Technologieprojekte, sondern auch Governance-Prozesse. Wie Städte digital organisiert werden, ist eine Frage von Planung, Mitbestimmung und politischem Willen. Wenn digitale Inklusion gelingen soll, müssen Menschen mit Behinderungen und andere marginalisierte Gruppen von Anfang an eingebunden werden – als Expert*innen in eigener Sache.

Das bedeutet: Nicht nur Nutzerinnen befragen, sondern Beteiligung institutionalisieren. Beiräte, Pilotprojekte, barrierefreie Testphasen, Kooperationsprojekte mit Verbänden oder Expertinnen aus der Behindertenbewegung können helfen, echte Teilhabe zu ermöglichen. Ebenso zentral ist die Aus- und Weiterbildung von Entwicklerinnen, Planerinnen und Entscheidungsträger*innen. Barrierefreiheit muss zur Querschnittsaufgabe werden – und nicht zur Sonderprüfung am Ende eines Projekts.

Ein weiterer Baustein ist die datengestützte Qualitätssicherung. Smarte Städte sammeln ohnehin Daten – warum nicht auch zur Barrierefreiheit? Wie viele digitale Bürgerterminals sind tatsächlich barrierefrei nutzbar? Wie oft werden digitale Services von Menschen mit Assistenzbedarf abgerufen? Welche Barrieren treten am häufigsten auf? Solche Daten könnten gezielt zur Verbesserung und Steuerung eingesetzt werden.

Eine inklusive Smart City ist keine Utopie. Sie ist eine Entscheidung – für offene Strukturen, für digitale Gerechtigkeit und für eine technologische Entwicklung, die nicht wenige privilegiert, sondern allen dient. Die Voraussetzung ist, dass digitale Inklusion nicht als Kostenfaktor, sondern als Investition verstanden wird: in Gleichstellung, Lebensqualität und städtische Resilienz.

Digitale Inklusion als Zukunftsversprechen

Smart Cities stehen für Effizienz, Vernetzung und technologische Innovation. Doch ihr wahres Potenzial entfalten sie erst, wenn sie sozial gerecht und strukturell inklusiv sind. Digitale Barrierefreiheit ist dabei kein Bonus, sondern der Prüfstein intelligenter Stadtentwicklung. Sie entscheidet darüber, ob Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Voraussetzungen und Bedürfnissen die Möglichkeiten digitaler Infrastruktur nutzen können – oder ausgeschlossen bleiben.

Die Bedeutung von Smart Cities für digitale Inklusion liegt nicht allein in der Technik, sondern im Willen zur Teilhabe. Ob digitale Bürgerportale, smarte Mobilitätslösungen, vernetzte Gesundheitsdienste oder intelligente Verwaltung: Nur wenn diese Angebote für alle zugänglich sind, wird aus der digitalen Stadt eine gerechte Stadt.

Digitale Inklusion ist dabei nicht nur Aufgabe der Politik, sondern auch der Wirtschaft, der Forschung und der Zivilgesellschaft. Sie ist gemeinschaftliche Herausforderung und gemeinsames Versprechen. Eine Stadt ist dann wirklich smart, wenn sie niemanden zurücklässt – weder auf der Straße noch im Netz.

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