Wie Lehrkräfte barrierefreie Unterrichtsmaterialien erstellen können

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Inklusion im Bildungswesen ist ein zentrales Anliegen zeitgemäßer Pädagogik. Sie bedeutet nicht allein die physische Integration von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen in das Regelsystem, sondern vor allem die gleichberechtigte Teilhabe am Lernprozess. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die barrierefreie Gestaltung von Unterrichtsmaterialien. Nur wenn Lerninhalte für alle zugänglich sind – unabhängig von individuellen Einschränkungen oder technischen Voraussetzungen – kann Inklusion im Sinne eines gerechten Bildungssystems verwirklicht werden.

Digitale und analoge Unterrichtsmaterialien müssen so gestaltet sein, dass sie für Schüler*innen mit unterschiedlichen Bedürfnissen nutzbar sind: für blinde oder sehbehinderte Personen ebenso wie für Lernende mit motorischen, auditiven, kognitiven oder sprachlichen Einschränkungen. Barrierefreiheit bedeutet dabei weit mehr als das Bereitstellen von Zusatzmaterialien. Es geht um eine grundlegende didaktische und mediale Gestaltung, die Vielfalt mitdenkt und strukturell verankert.

Der folgende Beitrag zeigt im Detail auf, wie Lehrkräfte barrierefreie Unterrichtsmaterialien erstellen können. Dabei werden nicht nur technische Standards, sondern auch sprachliche, gestalterische und methodische Aspekte beleuchtet – mit dem Ziel, konkrete Handlungsimpulse für eine inklusive Unterrichtspraxis zu geben.

Didaktische Grundlagen barrierefreier Materialien

Barrierefreiheit beginnt nicht mit der technischen Umsetzung, sondern mit der didaktischen Planung. Bereits bei der Konzeption eines Arbeitsblatts, einer Lernplattform oder eines digitalen Moduls sollte die Vielfalt der Lernenden mitgedacht werden. Dazu gehört die bewusste Auswahl von Themen, Aufgabenformaten und medialen Zugängen, die möglichst vielen Schüler*innen das Verstehen, Bearbeiten und Reflektieren von Inhalten ermöglichen.

Ein barrierefreier Zugang bedeutet, dass alle Schüler*innen Lernziele mit vergleichbarer Selbstständigkeit und unter Berücksichtigung ihrer individuellen Voraussetzungen erreichen können. Dies setzt voraus, dass Materialien modular aufgebaut, adaptiv nutzbar und mehrkanalig gestaltet sind. Aufgaben sollten differenziert formuliert sein, Wiederholungen und Erklärungen enthalten sowie über unterschiedliche Zugänge (Text, Audio, Bild, Interaktion) verfügbar gemacht werden.

Inklusive Didaktik verlangt zudem, dass nicht die Abweichung von der Norm als Defizit verstanden wird, sondern dass die Norm selbst infrage gestellt wird. Statt „Sondermaterialien“ für bestimmte Gruppen zu entwickeln, sollten Materialien von vornherein so konzipiert sein, dass sie möglichst vielen gerecht werden. Dieses Prinzip des „Universal Design for Learning“ bildet die Grundlage für barrierefreie Bildung.

Sprachliche Zugänglichkeit: Klarheit als inklusives Prinzip

Ein zentraler Aspekt barrierefreier Unterrichtsmaterialien ist die sprachliche Gestaltung. Viele Schüler*innen haben Schwierigkeiten, komplexe Texte zu erfassen – sei es aufgrund einer Lese-Rechtschreib-Schwäche, einer anderen Herkunftssprache, kognitiver Einschränkungen oder mangelnder Lesepraxis. Deshalb sollten Lerntexte klar strukturiert, einfach formuliert und zielgruppengerecht gestaltet sein.

Einfache Sprache heißt nicht zwangsläufig vereinfachte Inhalte. Vielmehr geht es darum, auch anspruchsvolle Themen verständlich zu machen. Kurze Sätze, direkte Ansprachen, aktive Formulierungen, eindeutige Begriffe und ein logischer Aufbau unterstützen das Textverständnis. Auch die visuelle Strukturierung – durch Absätze, Zwischenüberschriften, Hervorhebungen oder Piktogramme – hilft dabei, Inhalte zu gliedern und Orientierung zu schaffen.

Wichtig ist zudem die Kontextualisierung von Begriffen. Fachwörter sollten erklärt, bildliche Sprache bewusst eingesetzt und unklare Abkürzungen vermieden werden. Auch die Sprache in Aufgabenstellungen sollte klar, zielgerichtet und selbsterklärend sein. Eine barrierefreie sprachliche Gestaltung ist ein Schlüssel zur Teilhabe – und zugleich ein Ausdruck didaktischer Professionalität.

Visuelle Gestaltung: Kontrast, Struktur und Lesbarkeit

Die visuelle Gestaltung von Unterrichtsmaterialien hat großen Einfluss auf deren Zugänglichkeit. Für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen, Farbenfehlsichtigkeit oder kognitiven Einschränkungen sind bestimmte gestalterische Prinzipien unerlässlich. Dazu gehören hohe Kontraste zwischen Schrift und Hintergrund, gut lesbare Schriftarten, ausreichende Schriftgrößen und ein aufgeräumtes Layout.

Informationen sollten klar gegliedert, visuell voneinander abgegrenzt und sinnvoll angeordnet sein. Der Verzicht auf rein dekorative Elemente zugunsten funktionaler Gestaltung erhöht die Konzentration auf das Wesentliche. Farbcodierungen sollten niemals als alleinige Bedeutungsträger verwendet werden, sondern immer durch Text oder Symbole ergänzt werden.

Auch Arbeitsmaterialien wie Diagramme, Grafiken oder Karten sollten barrierefrei gestaltet sein: mit Beschriftungen, klarer Linienführung und der Möglichkeit zur alternativen Beschreibung. So wird visuelle Information auch für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen oder für Nutzer*innen von Screenreadern erfassbar gemacht.

Technische Barrierefreiheit bei digitalen Materialien

Im digitalen Unterricht ist die technische Zugänglichkeit von Materialien von zentraler Bedeutung. PDF-Dateien, Lernplattformen, Online-Tools oder interaktive Inhalte müssen so gestaltet sein, dass sie mit Hilfsmitteln wie Screenreadern, Braillezeilen oder alternativen Eingabegeräten kompatibel sind. Dies setzt voraus, dass sie bestimmte Standards einhalten: etwa korrekte HTML-Strukturen, semantische Auszeichnungen, Tastaturbedienbarkeit oder die Einbettung von Alternativtexten.

Digitale Dokumente sollten zudem barrierefrei exportiert werden. Das heißt: Überschriften müssen als solche gekennzeichnet, Bilder mit Beschreibung versehen, Tabellen sinnvoll strukturiert und Formulare eindeutig beschriftet sein. Besonders wichtig ist, dass der Lesefluss logisch ist – etwa bei PowerPoint-Präsentationen oder PDFs.

Auch das Medium selbst sollte hinterfragt werden: Ist ein Video notwendig, dann mit Untertiteln und Transkript? Ist eine Audio-Datei vorgesehen, dann mit schriftlicher Zusammenfassung? Die Wahl des Formats ist integraler Bestandteil der barrierefreien Gestaltung. Plattformen, auf denen Inhalte bereitgestellt werden, sollten die Anforderungen der digitalen Barrierefreiheit (etwa gemäß WCAG) erfüllen.

Methodische Vielfalt und multiple Zugänge

Barrierefreiheit bedeutet auch methodische Offenheit. Unterrichtsmaterialien sollten verschiedene Lernwege ermöglichen, um unterschiedlichen Stärken, Interessen und Einschränkungen gerecht zu werden. Dazu gehört die Möglichkeit, Inhalte auditiv, visuell oder haptisch zu erfassen, Aufgaben schriftlich, mündlich oder interaktiv zu bearbeiten oder Lernfortschritte in unterschiedlichen Formen zu dokumentieren.

Eine barrierefreie Lernumgebung bietet Wahlmöglichkeiten, statt auf ein einheitliches Format zu setzen. Dies kann durch offene Aufgabenstellungen, optionale Schwierigkeitsgrade, adaptive Materialien oder individualisierbare digitale Tools unterstützt werden.

Besonders wirkungsvoll ist die Kombination analoger und digitaler Materialien, etwa durch QR-Codes auf Arbeitsblättern, die zu auditiven Erklärungen führen, oder durch Printversionen digitaler Inhalte. Auch Peer-Learning-Formate, in denen sich Schüler*innen gegenseitig unterstützen, können Barrieren abbauen.

Barrierefreiheit wird dann zur gelebten Unterrichtskultur, wenn sie nicht als Sonderfall, sondern als Gestaltungsidee verstanden wird: Offenheit für verschiedene Wege, Anerkennung von Unterschiedlichkeit und Vertrauen in die Fähigkeit aller Lernenden.

 

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